Streitgegenstand der von unserer Kanzlei für den Mandanten erstrittenen Entscheidung des ArbG Bonn vom 24.03.2021 – 2 Ca 2262/20 — war die Versetzung eines schwerbehinderten Tarif-Beschäftigten vom Standort Bonn an den Standort TPS in Darmstadt.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der beabsichtigten Versetzung mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte bei der Ausübung ihres Direktionsrechts die Grenzen billigen Ermessens wegen nicht hinreichender Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers überschritten habe.
Der Arbeitsvertrag des Klägers beinhaltete eine Versetzungsklausel, so dass die Zuweisung einer Arbeitsaufgabe und eines Arbeitsortes grundsätzlich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. §§ 106 GewO, 315 BGB unterlag. Das ArbG führt in seiner Entscheidung aus, dass bei einem schwerbehinderten Beschäftigten die Ermessensentscheidung allerdings unter Berücksichtigung von § 164 SGB IX zu treffen ist. § 164 SGB IX enthalte insoweit eine gesteigerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Die Versetzungsentscheidung unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Die Darlegungs– und Beweislast für die Einhaltung der Grenzen billigen Ermessens trägt der Arbeitgeber.
Das ArbG führt aus, dass dieser daher auch das Risiko der Unwirksamkeit seiner Maßnahme trage, wenn er wesentliche Aspekte unberücksichtigt lasse, die ihm hätten bekannt werden können. Aufgrund der Fürsorgepflicht gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten sei die Beklagte gehalten gewesen, vor Ausübung ihrer Ermessensentscheidung die bestehenden Gesundheitsbeschränkungen des Klägers zu überprüfen. Der Kläger hatte im Rahmen der Anhörung zur Versetzung ausdrücklich angeboten, ein ärztliches Attest zu seinen Gesundheitseinschränkungen beizubringen. Von der Möglichkeit der Anforderung eines entsprechenden Attestes hatte die Beklagte keinen Gebrauch gemacht, ebenso wenig hatte sie ein betriebliches Eingliederungsmanagement abgeschlossen, oder den Kläger seitens eines Betriebsarztes auf bestehende gesundheitliche Einschränkungen untersuchen lassen.
Die Beklagte hatte sich lediglich darauf beschränkt die Angaben des Klägers in Bezug auf seine Schwerbehinderung und die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen pauschal zu bestreiten, dies reicht nach Ansicht des ArbG Bonn nicht aus.
Ein weiterer Aspekt der Entscheidung war, dass sich der Kläger hinsichtlich der Unwirksamkeit der Versetzung nach Darmstadt auch auf andere wohnortnähere Beschäftigungsmöglichkeiten berufen hatte.
Hierzu führt das ArbG Bonn aus, dass ein Arbeitnehmer im Versetzungsprozess zwar grundsätzlich gehalten sei, konkret darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine konkrete freie Stelle, habe sich der Arbeitgeber dann allerdings substantiiert zur Möglichkeit der Besetzung dieser Stelle einzulassen. Auch hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber im Rahmen des § 164 SGB IX verpflichtet sei, einen geeigneten Arbeitsplatz für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer freizumachen, solange dies im Rahmen seines Direktionsrechts liege.
Fazit: bei der Anhörung zur beabsichtigten Versetzung sollten schwerbehinderte Arbeitnehmer auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinweisen und ggfl. die Einholung von ärztlichen Stellungnahmen anbieten. Zudem sollten Beschäftigte im Stellenportal des Arbeitgebers nach wohnortnäheren Beschäftigungsmöglichkeiten suchen und sich auf andere wohnortnähere und passende Stellen auch aktiv bewerben.
Hinweis: Das Urteil ist nicht rechtskräftig!
Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 24.03.2021 hier als pdf ansehen
erstellt 26.04.2021 – M. Wieland, Fachanwältin für Arbeitsrecht und für Verwaltungsrecht