In seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – hat das Bundesverwaltungsgericht sich deutlich zu einigen zentralen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erstellung dienstlicher Beurteilungen geäußert. Hierbei haben die bestehenden Grundsätze und die darin formulierten Anforderungen teilweise noch einmal eine Verschärfung erfahren, mit deren Auswirkungen sich die Verwaltungsgerichte in Zukunft nicht nur in Klageverfahren gegen dienstliche Beurteilungen, sondern insbesondere auch im Rahmen von Konkurrentenklageverfahren werden auseinandersetzen müssen. Die Erfolgsaussichten der klagenden Beamten/innen respektive unterlegenen Konkurrenten/innen haben sich durch die jüngsten Feststellungen des Bundesverwaltungsgericht jedenfalls eher verbessert, während es aus Sicht der Dienstherren bei der Erstellung dienstlicher Beurteilungen eine Vielzahl teils bestätigter und teils verschärfter Anforderungen zu beachten gilt, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass die Beurteilungen mit Erfolg angegriffen werden können.
Die Kernaussagen der vorstehend zitierten Entscheidung lauten hierbei wie folgt:
- Dienstliche Beurteilungen müssen auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen; dies gilt auch, wenn sich die zur Beurteilung berufene Person aus organisatorischen oder personellen Gründen ändert (sog. Maßstabsverbindlichkeit). Dabei sind unabhängig von den unterschiedlichen Aufgabenbereichen der Beamten die auf dem jeweiligen Dienstposten erbrachten Leistungen am einheitlichen Maßstab des Statusamts der Vergleichsgruppe zu beurteilen.
- Die nicht unerhebliche Verschlechterung im Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung ggü. der Vorbeurteilung bedarf einer plausiblen Begründung, weil nur so das neue (verschlechterte) Gesamturteil von dem betroffenen Beamten nachvollzogen werden kann.
- Ein Begründungserfordernis besteht auch dann, wenn die dienstliche Beurteilung erkennbar von den Wertungen in einem berücksichtigungspflichtigen Beurteilungsbeitrag abweicht. Sofern die Beurteilung nicht zuletzt auf einem Beurteilungsbeitrag beruht, welcher Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten/der Beamtin deutlich anders bewertet hatte, so ist der Erstbeurteiler zwar an diesen Beurteilungsbeitrag nicht gebunden. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er den Beurteilungsbeitrag als Tatsachengrundlage für den nicht von seiner eigenen anschauungsgedeckten Zeitraum in seine Überlegungen mit einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet.
- Das abschließende Gesamturteil einer dienstlichen Begründung ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen besten auswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und eine gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Hierbei hat die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen; anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Die nachträgliche Heilung eines Begründungsmangels ist also jedenfalls in Bezug auf das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung ausgeschlossen.
Darüber hinaus hat das BVerwG im Anschluss an seine vielbeachtete Entscheidung zur Zulässigkeit der zumindest vorübergehenden Besetzung eines Beförderungsdienstpostens während eines laufenden Konkurrentenklageverfahrens durch Außerachtlassung des hiermit grundsätzlich einhergehenden Bewährungsvorsprungs bei der nachfolgenden Ämtervergabe mit Beschluss vom 10.05.2016 — 2 VR 2.15 — diese Rechtsprechung nach unserem Verständnis nunmehr dahingehend eingeschränkt, dass die Ausblendung des Bewährungsvorsprungs bei einer nachfolgenden Auswahlentscheidung zur Vergabe des Statusamts im Zeitpunkt des Konkurrentenklageverfahrens in irgendeiner Form sichergestellt und für die nicht ausgewählten Bewerber sichtbar werden muss. In Betracht kommt den Ausführungen des BVerwG etwa eine entsprechende Regelung /Feststellung in den Beurteilungsrichtlinien oder der Stellenausschreibung selbst oder eine entsprechende Zusage gegenüber dem Antragsteller im anhängigen Verfahren.
Fazit: Der Dienstherr darf also nicht ohne Weiteres den förderlichen Dienstposten mit seinem Wunschkandidaten besetzen, sondern muss vielmehr dafür Sorge tragen, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der Dienstpostenvergabe das Gebot der Chancengleichheit gewahrt bleibt und ein etwaiger Bewährungsvorsprung des (ursprünglich) ausgewählten Konkurrenten unberücksichtigt bleibt. Fehlt es an einer entsprechenden Sicherstellung, besteht auch nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG ein Anordnungsgrund für die begehrte Sicherungsanordnung und können unterlegene Bewerber folglich weiterhin die von vielen Dienstherren gefürchtete Stellenblockade erreichen (sog. Beförderungsstopp).
Das Mittel der Wahl für die vom BVerwG geforderte Außerachtlassung eines etwaigen Bewährungsvorsprungs desjenigen Mitbewerbers, welchem die Aufgaben des Beförderungsdienstpostens zumindest vorübergehend übertragen wurden, ist das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung (§ 33 Abs. 3 S. 1 BLV). Hierbei ist die spezifisch höherwertige Aufgabenwahrnehmung zur Vermeidung einer unzulässigen Bevorzugung des Mitbewerbers auszublenden, d h. die aus der Aufgabenwahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten bleiben in der dienstlichen Beurteilung unberücksichtigt und können dementsprechend bei der nachfolgenden Auswahlentscheidung zur Vergabe des Statusamtes nicht zu Gunsten des Mitbewerbers gewertet werden.