Die Zeit­schrift IÖD „Infor­ma­tions­di­enst öffent­li­ches Dien­strecht“ her­aus­gegeben von Recht­san­walt F. Wie­land infor­miert 2-​wöchent­lich über die aktu­el­le Recht­sprechung im Beamten­recht, Beam­ten– ver­sorgungsrecht, Besol­dungsrecht, Diszi­pli­nar­recht und Per­sonal– vertre­tungsrecht. Eini­ge beson­ders wich­ti­ge Leit­sätze von im Jahr­gang 2013 abge­druck­ten Entschei­dun­gen sind nach­fol­gend wie­der­ge­ge­ben:

Bewer­bungsver­fahren­sanspruch; Rechtss­chutzvere­it­elung; Beförderungsran­gliste; meh­re­re Plan­stel­len; Anlass­beurteilung; Fort­ent­wick­lungs­ge­bot

Amt­li­che Leit­sätze:

1. Bei Beförderun­gen auf der Grund­lage einer Beförderungsran­gliste erstreckt sich der Bewer­bungsver­fahren­sanspruch auf alle aktu­ell vorge­se­henen Beförderun­gen. Wenn der unberück­sichtigt geblie­be­ne Beam­te den einst­weili­gen Rechtss­chutzantrag gegen meh­re­re vorge­se­hene Beförderun­gen rich­tet, ist der Dien­s­therr grund­sät­zlich ver­pflich­tet, alle von dem Antrag erfass­ten Beförderun­gen vor­läu­fig nicht vor­zu­neh­men.

2. Eine Anlass­beurteilung, die zwis­chen zwei Regel­beurteilun­gen erstellt wird, darf die Fest­stel­lun­gen und Bew­er­tun­gen zu Eig­nung, Leis­tung und Befähi­gung in der zuvor erstell­ten Regel­beurteilung ledig­lich fort­ent­wi­ckeln.

BVerwG, Beschluss vom 22.11.20122 VR 5.12

Konkur­renten­klage; Präsi­dent des Sozial­gerichts; dien­stliche Beur­tei­lung; innege­habtes Sta­tusamt; Qual­i­fika­tionsvor­sprung; Ein­zel­merk­ma­le

Nich­tamtlicher Leit­satz:

Bei wesent­lich gle­ichem Gesamtergeb­nis unter Berück­sich­ti­gung unter­schiedlicher Maß­stä­be auf­grund unter­schiedlicher Sta­tusämter der Bewer­ber, kommt ein weit­erer Ver­gle­ich der Kan­di­daten anhand der für das Beför­de­rungs­amt wesent­li­chen Einze­laus­sagen der dien­stlichen Beurteilun­gen in Betra­cht. Ergibt der Gesamtver­gle­ich, dass kei­ne wesent­lich gle­ichen Beurteilun­gen vor­liegen, so ist der unmit­tel­bare Ver­gle­ich einzel­ner Fest­stel­lun­gen der Beurteilun­gen im Bewer­berver­gle­ich allerd­ings nur bei Vor­liegen zwin­gen­der Grün­de zuläs­sig.

BVerfG, Beschluss vom 04.10.20122 BvR 1120/​12

Urlaub­sabgel­tungsanspruch; Dien­stun­fähigkeit; RL 2003/​88/​EG; Min­desturlaub; Mehr­ur­laub; Schwer­be­hin­derten­zusatzurlaub; Ver­fall; Ver­jäh­rung

Amt­li­cher Leit­satz:

Art. 7 Abs 2 RL 2003/​88/​EG begrün­det nach der Recht­sprechung des EuGH auch für Beam­te einen Anspruch auf Abgel­tung von Urlaub, den sie krankheits­be­d­ingt vor Ein­tritt in den Ruh­e­s­tand nicht neh­men kon­nten (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – Rs. C-​337/​10, Nei­del – NVwZ 2012, 688 [EuGH 03.05.2012 — C-​337/​10]).

BVerwG, Urteil vom 21.01.20132 C 10.12

Beförderun­gen; Tele­kom AG; Dien­s­ther­ren­befug­nis; Beur­tei­lung; Fortschrei­bung; Zuwei­sung; Beur­lau­bung; Ver­tei­lung Plan­stel­len

Amt­li­cher Leit­satz:

1. Eine Beurteilungsvor­gabe des Dien­s­therrn, nach der nur so vie­le Spitzen­noten ver­ge­ben wer­den dür­fen, wie er Beför­de­rungs­stel­len aus­ge­bracht hat, ver­letzt den Anspruch des Beam­ten auf leis­tungs­gerechte Beur­tei­lung.

2. Der Vor­stand der Deut­schen Tele­kom AG kann sei­ne ihm nach § 1 Abs. 2 Post­Per­sRG zuk­om­menden dien­strechtlichen Befug­nisse nur auf­grund geset­zlicher Grund­lage über­tra­gen; eine Über­tra­gung auf konz­erneigene Gesell­schaf­ten des Pri­va­trechts ist im Rah­men der §§ 1 Abs. 4, 3 Abs. 1 Post­Per­sRG nicht mög­lich.

3. Eine Beur­tei­lung ist ent­spre­chend § 43 VwVfG nur dann wirk­sam und kann damit als Grund­lage für eine Auswahlentschei­dung herange­zo­gen wer­den, wenn sie dem Beam­ten eröff­net wor­den ist. Das gilt auch dann, wenn sich der Beam­te auf­grund einer Erkran­kung für län­gere Zeit nicht im Dienst befin­det. Ggf. ist eine Beur­tei­lung postal­isch zu über­mit­teln.

4. Der Deut­schen Tele­kom AG steht bei der Zuwei­sung von Beförderungs­planstellen an konz­erneigene Betrieb­sein­heiten in gle­ichem Maße ein Organ­i­sa­tion­ser­messen zur best­möglichen Erre­ichung ihrer unter­neh­me­ri­schen Zwe­cke zu, wie dies für Behör­den im Hin­blick auf die best­mögliche Wahr­neh­mung öffent­li­cher Auf­gaben aner­kannt ist.

5. Nach § 6 Abs. 2 PostLV sind beur­laub­te Beam­te, die auf­grund eines pri­va­trechtlichen Arbeitsver­trags eine Tätig­keit aus­üben, vom Dien­s­therrn anhand ihrer tat­säch­lich erbrach­ten Leis­tun­gen zu beur­tei­len; eine Fortschrei­bung ihrer frü­he­ren Beur­tei­lung kommt nur in Betra­cht, wenn kei­ne geeig­ne­te vor­bere­i­t­ende Stel­lung­nahme des Unter­neh­mens vor­liegt.

OVG Nord­rhein-​West­fa­len, Beschluss vom 05.03.20131 B 133/​13

Topf­wirt­schaft; Dien­st­posten­bün­delung; Beför­de­rungs­aus­wahl; Anforderun­gen des Dien­st­postens; Rang­di­en­stal­ter; Beför­de­rungs­an­spruch

Nich­tamtliche Leit­sät­ze:

Eine Beförderungsauswahlentschei­dung hat stets in Bezug auf das kon­kret ange­streb­te Amt zu erfol­gen bei Vor­nahme einer Prog­nose, bei wel­chem Beam­ten zukün­ftig die Erfül­lung der Auf­gaben am Bes­ten erwar­tet wer­den kann. Das Rang­di­en­stal­ter darf erst nach Aus­nutzen aller leis­tungsna­hen Erken­nt­nis­mit­tel herange­zo­gen wer­den.

Bei Auseinan­der­fallen von Sta­tusamt und Dien­st­posten kann der betrof­fene Beam­te auch aus Art. 33 Abs. 5 GG kei­nen Beför­de­rungs­an­spruch her­lei­ten

BVerfG, Beschluss vom 07.03.20132 BvR 2582/​12

Ver­set­zung; Ermes­sen; Für­sorgepflicht; Massen­ver­set­zung; Auswahlentschei­dung; Punk­tesys­tem; Dienst­ver­ein­ba­rung

Amt­li­cher Leit­satz:

Ent­schließt sich der Dien­s­therr bei einer Ver­set­zungs­maß­nahme, die eine Viel­zahl von Beam­ten bet­rifft, im Rah­men sei­nes Auswahler­messens die auf­grund der beamten­rechtlichen Für­sorgepflicht zu berück­sichti­gen­den Belan­ge anhand eines Punk­tesys­tems zu erfas­sen und zu bew­erten, um dar­aus eine Rang­folge der zu ver­set­zen­den Beam­ten zu erstel­len, so muss die­ses Punk­tesys­tem so gestal­tet sein, dass dadurch kein auf­grund der Für­sorgepflicht zu beach­t­en­der Umstand der pri­vaten Lebens­führung des einzel­nen Beam­ten unberück­sichtigt bleibt.

BVerwG, Beschluss vom 18.02.20132 B 51/​12

Konkur­renten­streit; Auswahlentschei­dung; Doku­men­ta­tion­spflicht; Topf­wirt­schaft; Dien­st­posten­bün­delung; Mas­sen– ver­wal­tung

Amt­li­cher Leit­satz:

Zu der Pflicht der Behör­de, die wesent­li­chen Auswahler­wä­gun­gen schrift­lich zu doku­men­tie­ren.

Das aus­nahm­sweise Abse­hen von der nach § 18 BBesG grund­sät­zlich gebote­nen nicht­nor­ma­tiven („spit­zen“) Ämter­be­w­er­tung ver­langt, dass die Bün­delung von Dien­st­posten („Topf­wirt­schaft“) ger­ade mit Blick auf die spe­zi­el­len Gegeben­heiten in der betrof­fe­nen Behör­de und ins­beson­dere mit Blick auf die den frag­li­chen Dien­st­posten anfal­l­en­den Auf­gaben und Tätig­kei­ten sach­lich not­wen­dig ist, um die Funk­tions­fähigkeit der Behör­de im in Rede ste­hen­den Bere­ich zu sich­ern (hier bejaht für die Bün­delun­gen von Dien­st­posten im gehobe­nen Dienst des Bun­de­samtes für Ver­fas­sungs­schutz).

OVG Mün­ster, Beschluss vom 22.03.20131 B 185/​13

Beach­te aber jetzt Arti­kel 1 Prof­BesNeuG Pro­fes­sorenbesol­dungsneuregelungs­ge­setz, G. v. 11.06.2013 BGBl. I S. 1514 (Nr. 29); Gel­tung ab 01.08.2013, abwe­ichend sie­he Arti­kel 11

§ 18 Grund­satz der funk­tion­s­gerechten Besol­dung

(Text alte Fas­sung): Die Funk­tio­nen der Beam­ten, Rich­ter und Sol­daten sind nach den mit ihnen ver­bun­de­nen Anforderun­gen sach­ge­recht zu bew­erten und Ämtern zuzuord­nen. Die Ämter sind nach ihrer Wer­tigkeit unter Berück­sich­ti­gungder gemein­samen Belan­ge aller Dien­s­ther­ren den Besol­dungs­grup­pen zuzuord­nen.
(Text neue Fas­sung): Die Funk­tio­nen der Beam­ten und Sol­daten sind nach den mit ihnen ver­bun­de­nen Anforderun­gen sach­ge­recht zu bew­erten und Ämtern zuzuord­nen. Eine Funk­tion kann bis zu drei Ämtern einer Lauf­bah­n­gruppe, in ober­sten Bun­des­be­hör­den allen Ämtern einer Lauf­bah­n­gruppe zuge­ord­net wer­den. Bei Sol­daten gilt dies in der­Lauf­bah­n­gruppe der Mann­schaf­ten für alle Dien­st­grade und in der Lauf­bah­n­gruppe der Unterof­fiziere für bis zu vier Dienst­gra­de.

Zur­ruh­e­set­zung; Dien­stun­fähigkeit; entschei­dungser­he­blicher Zeit­punkt; Beweis­er­he­bung; Her­stellen Spruch­rei­fe; feh­len­de Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung

Amt­li­cher Leit­satz:

Bei einer Kla­ge gegen die Zur­ruh­e­set­zung eines Beam­ten wegen Dien­stun­fähigkeit ist das Gericht ver­pflich­tet, die Spruch­rei­fe der Sache her­zu­stel­len und ggf. zu die­sem Zweck Beweis zur Fra­ge der Dien­stun­fähigkeit des Beam­ten bezo­gen auf den maßge­blichen Zeit­punkt der let­zten Behör­de­nentschei­dung zu erhe­ben.

Ver­weigert sich ein Beam­ter ohne Anga­be von Grün­den einer sol­chen Beweis­er­he­bung, kann dies zu sei­nen Las­ten gew­ertet wer­den.

Bei sei­ner Beweisanord­nung braucht das Gericht nicht die for­malen Anforderun­gen zu beach­ten, die für die vom Dien­s­therrn ange­ord­nete Unter­suchung der Dien­st­fähigkeit gel­ten.

§ 46 VwVfG ist im Zur­ruh­e­set­zungsver­fahren bei fehlen­der Beteili­gung des Per­son­al­rates oder der Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragten anwend­bar. Dies gilt auch dann, wenn der Beam­te einer gericht­li­chen Beweisanord­nung unent­schul­digt nicht nach­kommt und des­halb – bezo­gen auf den entschei­dungser­he­blichen Zeit­punkt – von einer Dien­stun­fähigkeit aus­ge­gan­gen wer­den kann.

OVG Mün­ster, Urteil vom 18.04.20131 A 1707/​11

Vor­läu­figer Rechtss­chutz; Antragser­weiterung nach Ablauf der Beschw­erde­be­grün­dungs­frist; Ver­fahrens­ab­bruch; Dienst­pos­ten­be­wer­tung

Amt­li­cher Leit­satz:

Die Erwei­te­rung des erstin­stan­zlich erfol­g­los gebliebe­nen Begeh­rens auf Gewäh­rung vor­läu­fi­gen Rechtss­chutzes ist nach Ablauf der Beschw­erde­be­grün­dungs­frist grund­sät­zlich unzu­läs­sig.

In beamten­rechtlichen Konkur­renten­stre­it­igkeiten folgt aus § 44a VwGO das Ver­bot, die Recht­mäßigkeit von Ver­fahren­shand­lun­gen oder Zwis­ch­enentschei­dun­gen –hier: Bew­er­tung des Dien­st­postens eines Bewer­bers– zum Gegen­stand eines selb­ständi­gen gericht­li­chen Ver­fahrens zu machen; ent­spre­chen­de Mei­n­ungsver­schieden­heiten sind viel­mehr – falls entschei­dungser­he­blich – im Rah­men der Kon­trolle der Auswahlentschei­dung zu klä­ren.

Ein Beförderungsauswahlver­fahren wird durch Vol­lzug der Beförderung(en) oder durch Abbruch abge­schlos­sen. Ein Abbruch und der dafür maßge­bliche Grund müs­sen akten­kun­dig gemacht und den Betrof­fe­nen mit­geteilt wer­den.

Wird die Recht­mäßigkeit des einem Dien­st­posten­be­w­er­tungskat­a­log zugrun­de liegen­den Sys­tems in Fra­ge gestellt, ver­bi­etet es sich ange­sichts des wei­ten Beurteilungsspiel­raums des Dien­s­therrn bei der Dien­st­posten­be­w­er­tung, dass ein Gericht für einen einzel­nen Dien­st­posten eine vom Kat­a­log abwe­ichende Bew­er­tung durch einst­weilige Anord­nung fest­legt.

OVG Saar­louis, Beschluss vom 29.05.20131 B 314/​13

Beför­de­rung; Anfech­tung Ernen­nung; Konkur­renten­klage; Ämter­sta­bi­li­tät

Amt­li­cher Leit­satz:

1. Der Grund­satz der Ämter­sta­bil­ität steht der Aufhe­bung der Ernen­nun­gen nicht ent­ge­gen, wenn der Klä­ger unter Ver­stoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar­an gehin­dert wor­den ist, sei­ne Rechtss­chutzmöglichkeiten vor den jew­eili­gen Ernen­nun­gen aus­zu­schöp­fen, vgl. BVerwG, Urt. v. 04.11.20102 C 16/​09.

2. Der Klä­ger kann eine erneu­te Entschei­dung über die Stel­len­ver­gabe nicht bean­spru­chen, wenn sei­ne Aus­wahl bei fehler­freier Durch­führung des Auswahlver­fahrens nicht mög­lich erscheint.

3. Die Mög­lich­keit der Ernen­nung bemisst sich maßge­blich danach, wie die Beklag­te bei erneu­ter Auswahlentschei­dung zu entschei­den hät­te.

VG Bre­men, Urteil vom 30.04.20136 K 437/​12

Dien­st­postenkonkur­renz; vorver­lagerte Auswahlentschei­dung; Stel­lenauss­chrei­bung; Anforderung­spro­fil; dien­stliche Beur­tei­lung; Organ­i­sa­tion­s­ge­walt; spez­i­fis­che Anforderun­gen des Dienst­pos­tens

Amt­li­cher Leit­satz:

Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu mes­sen­de Auswahlentschei­dung ist auf das Amt im sta­tus­rechtlichen Sin­ne bezo­gen und darf daher grund­sät­zlich nicht anhand der Anforderun­gen eines kon­kre­ten Dien­st­postens erfol­gen.

Aus­nah­men hier­von sind nur zuläs­sig, wenn die Wahr­neh­mung der Dien­stauf­gaben des aus­geschriebe­nen Dien­st­postens zwin­gend beson­dere Ken­nt­nisse oder Fähig­kei­ten voraus­setzt, die ein Lauf­bahn­be­wer­ber regel­mä­ßig nicht mit­bringt und sich in ange­mes­se­ner Zeit und ohne unzu­mut­bare Beein­träch­ti­gung der Auf­gaben­wahrnehmung auch nicht ver­schaf­fen kann. Die­se Voraus­set­zun­gen hat der Dien­s­therr darzule­gen; sie unter­liegen vol­ler gericht­li­cher Kon­trol­le.

Aus der Stel­lenauss­chrei­bung muss sich erge­ben, wel­che Anforderun­gen von allen Bewer­bern zwin­gend erwar­tet wer­den und wel­che Kri­te­rien zwar nicht not­wen­dig für eine Ein­beziehung in das Auswahlver­fahren sind, bei im Wesent­li­chen gle­icher Eig­nung der Bewer­ber aber maßge­blich berück­sichtigt wer­den.

Ob und in wel­chem Umfang ein Anforderung­spro­fil Bin­dungs­wir­kung ent­fal­tet, muss durch eine ent­spre­chend § 133 BGB am objek­tiven Empfänger­hor­i­zont poten­tieller Bewer­ber ori­en­tierte Ausle­gung ermit­telt wer­den.

BVerwG, Beschluss vom 20.06.20132 VR 1.13

Stel­len­zu­lage; Rück­forderung; ord­nungs­gemäße Bil­lig­keits­ent­schei­dung

Nich­tamtliche Leit­sät­ze:

1. Zu den Sorgfalt­spflichten des Beam­ten gehört es auf­grund sei­ner beamten­rechtlichen Treue­pflicht auch, die Besol­dungsmit­teilun­gen auf ihre Rich­tig­keit zu über­prüfen und auf Überzahlun­gen zu ach­ten.

2. Der Beam­te darf sich ins­beson­dere dann, wenn er ohne erkenn­ba­ren Grund höhe­re Leis­tun­gen erhält, nicht ohne Weit­eres auf die Recht­mäßigkeit der Zah­lung ver­las­sen.

3. Anforderun­gen an eine allen Umstän­den des Ein­zel­fal­les gerecht wer­dende für die Behör­de zumut­bare und für den Beam­ten trag­bare Lösung ermög­li­chen­de Bil­ligkeit­sentschei­dung, bei der auch Alter, Leis­tungs­fähigkeit und son­stige Lebensver­hält­nisse des Her­aus­gabepflichti­gen eine maß­ge­ben­de Rol­le spie­len.

4. Die fest­gestellte Rechts­fehler­haftigkeit einer Bil­ligkeit­sentschei­dung führt zur Rechts­wid­rig­keit der nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG getrof­fe­nen Rück­for­de­rungs­ent­schei­dung.

OVG Mün­ster, Urteil vom 02.05.20131 A 2045/​11

Im Anschluss an: BVerwG, Urteil vom 26.04.20122 C 15/​10

Rück­forderung von Bezü­gen; Wech­selschichtzu­lage; Ver­schulden; Bil­lig­keits­ent­schei­dung

Leit­satz

1. Bei der Bil­ligkeit­sentschei­dung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist in der Regel von der Rück­forderung teil­weise abzuse­hen, wenn der Grund für die Über­zah­lung in der über­wiegen­den behörd­li­chen Ver­ant­wor­tung liegt. In die­sem Fall ist ein Abse­hen von der Rück­forderung in der Größenord­nung von 30 % des über­zahl­ten Betra­ges im Regel­fall ange­mes­sen.

2. Die Bil­ligkeit­sentschei­dung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist notwendi­ger und untrenn­ba­rer Bestand­teil der Rück­forderungsentschei­dung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG.

Dien­stun­fähigkeit; Ver­weigerung ärzt­li­cher Begutach­tung; Unter­suchungsauf­forderung; Zwei­fel an Dien­stun­fähigkeit; Anhö­rung; Such­pflicht

Amt­li­cher Leit­satz:

Die Recht­mäßigkeit einer vorzeit­i­gen Ver­set­zung in den Ruh­e­s­tand wegen der Wei­ge­rung, sich amt­särztlich unter­suchen zu las­sen setzt die Recht­mäßigkeit der Auf­forderung vor­aus. Die Auf­forderung unter­liegt im Rah­men der Anfech­tungsklage gegen die Zur­ruh­e­set­zungsver­fü­gung der vol­len gericht­li­chen Nach­prü­fung.

Die Unter­suchungsauf­forderung muss sich auf sol­che Umstän­de bezie­hen, die bei vernün­ftiger, leben­sna­her Ein­schätzung die ern­sthafte Besorg­nis begrün­den, der betrof­fene Beam­te sei dien­stun­fähig (im Anschluss an das Urteil vom 26.04.2012 – BVerwG 2 C 17.10 –).

Die Pflicht zur Suche nach der Mög­lich­keit für eine ander­weit­ige Ver­wen­dung eines dien­stun­fähi­gen Beam­ten gilt grund­sät­zlich auch dann, wenn die Dien­stun­fähigkeit aus der Ver­weigerung einer ärzt­li­chen Begutach­tung geschlos­sen wird.

BVerwG, Urteil vom 30.05.20132 C 68/​11

Im Anschluss an: BVerwG, Urteil vom 26. April 20122 C 17/​10

Fest­stel­lung der Polizei­di­en­stun­fähigkeit; Unter­su­chungs­an­ord­nung

Leit­satz

1. Die gegen­über einem Beam­ten ergan­gene Anord­nung, sich zur Klä­rung sei­ner Dien­st­fähigkeit ärzt­lich unter­suchen zu las­sen, ist kein Ver­wal­tungsakt. (Rn.14)

2. Die Anord­nung einer ärzt­li­chen Unter­suchung muss ihren Anlass erken­nen las­sen. Der Beam­te muss nachvol­lziehen kön­nen, ob die aufge­führten Umstän­de die behörd­li­chen Zwei­fel an sei­ner Dien­st­fähigkeit recht­fer­ti­gen. (Rn.20)

3. Die Anord­nung muss sich auf sol­che Umstän­de bezie­hen, die bei vernün­ftiger, leben­sna­her Ein­schätzung die ern­sthafte Besorg­nis begrün­den, der betrof­fene Beam­te sei dien­stun­fähig. Der Auf­forderung müs­sen tat­säch­liche Fest­stel­lun­gen zugrun­de gelegt wer­den, die die Dien­stun­fähigkeit des Beam­ten als nahe lie­gend erschei­nen las­sen. (Rn.19)

Fund­stellen

Schadenser­satz; unter­blie­be­ne Beför­de­rung; Beur­tei­lung; Bekan­nt­gabe; Wirk­samkeit; Plau­si­bil­ität; Aktu­al­ität; Ver­gle­ich­barkeit; Beweis­last­um­kehr

Amt­li­che Leit­sätze:

Erfol­gre­iche Beru­fung einer Polizeikom­mis­sarin, die mit ihrer Kla­ge Scha­denserS. wegen unter­blie­be­ner Beför­de­rung begehrt.

Eine Auswahlentschei­dung, die auf eine noch nicht bekan­nt­gegebene Beur­tei­lung zurück­greift, ist recht­lich feh­ler­haft.

Zur Plau­si­bil­ität einer Beur­tei­lung, die von einem den über­wiegen­den Beur­tei­lungs­zeit­raum erfas­sen­den Beurteilungs­beitrag sowohl im Gesamtergeb­nis als auch in den Haupt­merk­malen jew­eils um einen Punkt abweicht.

Die Beurteilun­gen von um eine Beför­de­rungs­stel­le konkur­ri­eren­den Bewer­bern sind – in zeit­li­cher Hin­sicht – nicht hin­re­ichend miteinan­der ver­gle­ich­bar, wenn die jew­eili­gen Beur­tei­lungs­zeit­räu­me sich nicht ein­mal über­schnei­den und über­dies durch einen lan­gen Zeit­raum, hier von elf Mona­ten, getrennt sind.

Bedarf es im Rah­men eines Schadenser­satzbegehrens für die Ermit­tlung des hypo­thetis­chen Kausalver­laufs bei recht­mäßigem Ver­hal­ten des Dien­s­therrn der Nachze­ich­nung zahlre­icher weit­erer, kom­plexer und in der Sphä­re des Dien­s­therrn liegen­der Ver­fahrenss­chritte bzw. Entschei­dung­sprozesse, die sich nicht mehr aufk­lären las­sen, fin­det eine Beweis­las­tumkehr zu Gun­sten des Klä­gers statt.

OVG Mün­ster, Urteil vom 27.06.20136 A 63/​12

So auch OVG Mün­ster, Urteil vom 20.06.2013, 1 A 1/​11 (Home­page Rae Wie­land)

Das OVG Mün­ster hat in einem von unse­rem Büro vertrete­nen Fall ein Urteil des VG Köln vom 11.11.2010, 15 K 4137/​07, bestä­tigt, indem die­ses das beklag­te Amt ver­ur­teilt hat­te, den Klä­ger im Wege des Schadenser­satzes dienst-​, besol­dungs– und ver­sorgungsrechtlich so zu stel­len, als ob er zu einem bes­timmten in der Ver­gan­gen­heit liegen­den kon­kre­ten Zeit­punkt nach Besol­dungs­gruppe A 15 beför­dert wor­den wäre. Die Entschei­dung ist inso­weit von Bedeu­tung, als das OVG noch­mals aus­führlich begrün­det, dass in Kon­stel­la­tio­nen, in denen der hypo­thetis­che Kausalver­lauf uner­weis­lich bleibt, die­se Uner­weis­lichkeit zu Las­ten der beklag­ten Behör­de geht unter Berück­sich­ti­gung der ver­schiede­nen Feh­ler, die auch im vor­liegen­den Fall im Lau­fe des Auswahlver­fahrens zum Tra­gen gekom­men sind.

Abbruch Auswahlver­fahren; unselb­ständige Ver­fahren­shand­lung; Anfech­tungsklage; Leis­tungsklage; einst­weiliger Rechtss­chutz; Vorver­fahren; Beamten­be­wer­ber; Jah­res­frist

Amt­li­cher Leit­satz:

1. Gegen den Abbruch eines beamten­rechtlichen Auswahlver­fahren ist einst­weiliger Rechtss­chutz nach § 123 VwGO und im Haupt­sachev­er­fahren eine auf Fort­set­zung des Auswahlver­fahrens gerich­te­te Leis­tungsklage mög­lich.

2. Bei einer Leis­tungsklage auf Fort­set­zung eines beamten­rechtlichen Bewer­bungsver­fahrens han­delt es sich um eine Kla­ge aus dem Beamten­ver­hält­nis im Sin­ne von § 54 Abs. 1 Beamt­StG, für die gemäß § 54 Abs. 2 Beamt­StG ein Vorver­fahren vor­ge­schrie­ben ist, auch wenn der Klä­ger sei­ne Auf­nahme in ein Beamten­ver­hält­nis erst noch erstrebt.

VGH Kas­sel, Beschluss vom 10.07.20131 A 1084/13.Z

Schadenser­satzanspruch wegen unter­blie­be­ner Beför­de­rung; Abbruch des Aus­wahl­ver­fah­rens

Nich­tamtlicher Leit­satz:

Der Auss­chluss des Schadenser­satzanspruchs bei Abbruch des Stel­lenbe­set­zungsver­fahrens ist dog­ma­tisch nicht zwin­gend.

BVerfG, Beschluss vom 03.07.20132 BvR 1541/​11 (vorge­hend: BVerwG Urt. v. 31.03.20112 A 2.09)

Über­nahme Beamten­ver­hält­nis; Beteili­gung Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragte; Ver­fahrens­fehler; Kausalität;Offensichtlichkeit

Amt­li­cher Leit­satz:

Erfol­gre­iche Beru­fung eines Leh­rers, des­sen Kla­ge auf die Neubeschei­dung sei­nes Antrags auf Über­nahme in das Beamten­ver­hält­nis auf Pro­be gerich­tet ist.

Zum Nichtvor­liegen der Voraus­set­zun­gen des § 46 VwVfG NRW auf­grund der nach­träg­li­chen Bekun­dung der Behör­de, sie hät­te im Fal­le der — ver­säumten — Beteili­gung der Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragten in der Sache die gle­iche Entschei­dung getrof­fen, sowie auf­grund der nach­träg­li­chen Erk­lärung der Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragten, sie hät­te der Entschei­dung zuge­stimmt.

OVG Mün­ster, Beschluss vom 17.07.20136 A 2296/​11

Benachteili­gung im Stel­lenbe­set­zungsver­fahren durch unter­lassene Beteili­gung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung

Leit­sätze

1. In einem Stel­lenbe­set­zungsver­fahren kann eine Benachteili­gung im Sin­ne von § 7 Abs. 1 AGG bere­its in der ent­ge­gen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unter­lasse­nen Beteili­gung der Schwer­be­hin­derten­vertre­tung und der damit ein­herge­hen­den Voren­thal­tung einer mög­li­chen Ver­fahrens­ab­sicherung oder –beglei­tung durch die­se Vertre­tung zu sehen sein.

2. Eine Benachteili­gung im Sin­ne von § 7 Abs. 1 AGG setzt kei­ne Ver­let­zung in sub­jek­tiven Rech­ten vor­aus.

3. Zur Hei­lung eines Ver­stoßes gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX durch nach­träg­li­che Beteili­gung der Schwer­be­hin­derten­vertre­tung (hier ver­neint).

4. Die Höhe des Entschädi­gungsanspruchs im Fal­le des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist bei Gel­tend­machung einer Benachteili­gung in einem Beförderungsver­fahren nicht auf die Dif­ferenz zwis­chen der drei­fa­chen monat­li­chen Grundbesol­dung des bis­lang innege­habten und der­jeni­gen des ange­streb­ten Amts beschränkt.

VGH Baden-​Würt­tem­berg Urteil vom 10.9.2013, 4 S 547/​12